Stolperstein für Familie Liebermann
Die nationalsozialistische Rassenideologie hatte nach dem Machtantritt Hitlers im Jahre 1933 sich die unfassbare Aufgabe gestellt, das jüdische Volk zu vernichten. Bis 1945 gelang es so, in Deutschland und in den während des Zweiten Weltkrieges von der deutschen Wehrmacht eroberten Ländern etwa sechs Millionen Juden (!) in den Tod zu schicken. Hinzu kamen auch nichtjüdische Opfer, die im Rahmen des sogenannten Euthanasie-Programms (geistig und körperlich behinderte Menschen) ermordet wurden, antifaschistische Widerstandskämpfer aus allen Bevölkerungsschichten (besonders Kommunisten) und Homosexuelle sowie Kriminelle. Nicht zu vergessen auch die Vernichtungsaktion gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma, der etwa 500.000 Menschen zum Opfer fielen.
Gedenkstätten, Dokumentationen, Kunst, Literatur, Rundfunk, Film und Fernsehen versuchen das Grausame als Anklage, Mahnung und Erinnerung immer wieder zu reflektieren.
Eine besondere Form sind in diesem Zusammenhang die sogenannten „Stolpersteine“. Der Künstler Gunter Demnig aus Köln entwickelte diese Idee im Jahre 1992. Am letzten Wohnort eines Opfers, sofern Name, Geburtsjahrgang, Todesort und -datum bekannt sind, kann ein solcher Stein verlegt werden. Diese Daten werden auf eine Messingplatte von etwa 10x10 cm eingeschlagen, mit einem Betonwürfel verbunden und an den entsprechenden Orten zu ebener Erde verlegt. Stolpersteine werden auch im Ausland installiert und bilden mit bisher zehntausenden Exemplaren das größte dezentrale Mahnmal der Welt.
In unserem Heimatort entstand eine zeitweilige Arbeitsgruppe, die auf der Basis von Zeitzeugenaussagen, bisherigen Veröffentlichungen und umfangreichen neuen Recherchen in Frage kommende Opfer ermittelte. An drei Stellen konnte nun für sieben Menschen aus Glienicke die Erinnerung wieder erweckt werden … sieben von 6 Millionen.
Die jüdische Familie Liebermann wohnte mit ihren drei Kindern in der Cäcilienstraße 1 (heute Tschaikowskistraße 1). Im Jahre 1942 wurden sie aus ihrem Haus abgeholt.
Max Moritz Liebermann, Jahrgang 1879
Martha Liebermann, Jahrgang 1890
Ernst Liebermann, Jahrgang 1923
Hannelore Liebermann, Jahrgang 1925
Ingeborg Liebermann, Jahrgang 1929
Ernst Liebermann wurde offenbar noch als Zwangsarbeiter selektiert und kam im Warschauer Ghetto ums Leben. Die übrige Familie wurde im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
Die erste Stolpersteinverlegung in Glienicke fand für die Liebermanns am 20. Oktober 2014 an der Tschaikowskistraße 1 im Rahmen einer Gedenkveranstaltung im Beisein von Zeitzeugen, Medien und anderen statt.
Etwas weiteres Unfassbares und Gegenwärtiges kommt hinzu: Im Zeichen von wiederauflebendem Neonazismus, Antisemitismus und Rassenhass fand die Veranstaltung (siehe Bild unten) im Schutz der Polizei statt! Eine doppelte Mahnung an die Vergangenheit und die Gegenwart!
Eine ausführliche Darstellung zum Schicksal der Familie Liebermann als Zeitzeugenbericht vom Orts-Chronisten Joachim Kullmann findet man im 1. Band vom „Glienicker Bilderbogen“ (1. Auflage 2004, Seite 98 bis 102).
Text und Bilder: Joachim Kullmann